Sich an den Blanco herantrinken …

Spirituosen, die polarisieren, haben etwas Anziehendes. Spirituosen, die einmal polarisiert haben, jetzt aber angekommen sind, noch mehr. Weil es schön ist, von der Jugend zu lernen: Danke, Tequila. Von Juliane E. Reichert.

 

Tequila, das ist während der Studienzeit diese Sache mit Zitrone und Salz gewesen und für die, die selbst in jenen Stunden noch etwas auf ihre Trinkgepflogenheiten hielten, auch mit Orange und Zimt. Und wer hier auch die siebente Runde überstanden hatte, wählte auf der stattfindenden Karaoke-Veranstaltung dann auch gern einmal ein gleichnamiges Lied … Auf diesem Niveau hat sich Tequila im Gros der Bevölkerung über einige Dekaden abgespielt.

 

Und auch in Bereichen, in denen es bei anderen Spirituosen bierernst zugeht, trägt der Tequila eine entspannte laissez-faire Haltung vor sich her –zum Beispiel, wenn es zum Glas kommt. Der Whisky hat seinen Dram, so gut wie alle fassgereiften Spirituosen das Nosing-Glas, und Gin wird ohnehin selten pur getrunken. Was hat der Tequila? Caballitos! Nicht mehr als fünf Zentimeter Durchmesser hat das schlanke, beinah etwas nach Kölsch anmutende Gefäß, in dem er zumindest in Mexiko, seinem Ursprungsland, genossen wird. Pur, versteht sich. In der Regel nebst Limette, die, wenn’s denn so sein soll, leicht gesalzen sein darf. Zumindest zeigt das ein Besuch in Jalisco, dem Bundesstaat, der die Kleinstadt Tequila beheimatet. Dort trinkt man also im schnörkelfreien, hochgezogenen Schnapsglas bei einer Zimmertemperatur von 18°-22°C, bloß nicht gekühlt! Und dann sollte das Glas, je älter der Tequila ist, an Bauchigkeit mitgehen. Cognac-Schwenker beispielsweise eignen sich recht gut, sollte die Spirituose schon einige Zeit im Fass verbracht haben, meist qualifiziert als Reposado oder Añejo. Doch dazu später.

 

Zurück zum Grundlegenden: Karin Dietrich, Corporate Relations Director Diageo Central Europe, empfiehlt, in jedem Fall von einer Marke alle Qualitäten durchzuprobieren, wenn man wissen will, wie ein bestimmtes Tequila-Haus wirklich schmeckt: „Seinen Charakter sowie die Einbindung des Fasses kann man dann besonders gut verstehen, wenn man die Varianten einer Marke von Blanco über Reposado bis Añejo pur durchprobiert.” Ob in Nosing-Glas oder Tumbler – sie findet, dass das Zelebrieren von Tequila dem von Whisky oder Rum keinesfalls nachstehen sollte. Die Hamburger Hausherrin des Hamburger Chug Clubs, also der Tequila Bar im deutschsprachigen Raum schlechthin, sagt übrigens ganz Ähnliches: Bettina Kupsa empfiehlt, Tequila bei Zimmertemperatur in kleinen Schlückchen aus dem Nosing-Glas zu trinken und zu versuchen, ihn mit allen Sinnen zu erfassen.

 

Aus Leichtlebigkeit wird Leder

Auf seine unprätentiöse Art und Weise macht es Tequila dem Konsumenten einfach. Aus einer der prominentesten Sehnsuchtsregionen für (mentale) Backpacker kommend, ist der Rohstoff der Spirituose unmissverständlich klar, und zu Beginn muss man nicht einmal über Holzarten und Fassgrößen sinnieren. Ein Wodka für Genießer, wenn man so möchte. Zumindest im Fall des Tequila Blanco, wie ihn vermutlich ein jeder kennengelernt hat – eine direkte Abfüllung nach Destillation, ohne Fasskontakt. Bloß eben mit anderem Ruf, weil nämlich Tequila nach einigem schmeckt, außer „mild”: nämlich nach blauer Agave, sollte es kein Mixto sein. Mixto, das ist die Form von Tequila, deren Zucker zur Alkoholproduktion lediglich aus mindestens 51 Prozent blauer Agaven hervorgehen muss und der Rest durch beispielsweise Rohrzucker gewonnen werden kann. Wie schmeckt nun aber blaue Agave? Kräuterig und zitrisch, wenn aus dem den so genannten Lowlands, etwas fruchtiger und süßlich, wenn aus den Highlands. Und wo wir nun schon beim Technischen sind: Außer dem Blanco gibt dann noch den Reposado und den Añejo - beide sind zu hundert Prozent aus blauer Agave, ersterer war bis zu zwei Monaten im Eichenfass, letzterer meist rund ein Jahr, kaum aber länger als drei Jahre und in deutlich kleineren Eichenfässern.

 

Seit 2006 gibt es auch den Extra Añejo. Der Consejo Regulador del Tequila, der so genannte „CRT”, hat sich nämlich einfallen lassen, dass Tequila im Grunde genommen noch deutlich länger ins Fass kann als drei Jahre. Diese Tequila-Stilistik, und das sagt einiges über seine Kategorie aus, ist die meist umstrittene unter allen. Wie bei so ziemlich jeder Spirituose gilt auch hier: je älter, desto teurer. Auch wenn kein Mensch hat bisher ernstlich begründen können, weshalb alte Spirituosen per se besser sein sollen, dürften zwei Aspekte einleuchten: Der Schnaps wird teurer, denn er braucht über längere Zeit Zuwendung wie Lagerraum, und natürlich schmeckt er auch deutlich mehr nach Fass. Wer also die tatsächlichen Tequila-Noten aus der Agavenfrucht schätzt, sollte besser die Finger von Abfüllungen lassen, die mehr als drei Jahre im Fass verbracht haben. Weil dann aus Zitrone Zeder wird, aus Kräutern Karamell und aus einem ganzen Haufen fruchtiger Leichtlebigkeit Leder. Dies tun Fässer schlichtweg mit Dingen, sie können nichts dafür. Und was bei anderen Spirituosen nicht selten gewünscht ist, wird hier zur kritischen Gretchenfrage.

 

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